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Das Comeback des Schalters- Oder warum Herrschaft in Deutschland so gut funktioniert

Eine Glosse von Rolf Westheider

Neben der Gesichtsmaske zählt zur Signatur der Corona-Zeit die allerorten aufgerichtete Trennscheibe, die bei jeglichem Kundenkontakt das Infektionsrisiko minimieren soll. Zunächst noch sehr improvisiert, werden die durchweg aus Kunststoff gefertigten Abtrennungen zusehends perfektioniert. Durch ihre Ästhetisierung entsteht der Eindruck, als würden sie zur Dauereinrichtung: vor jeder Ladenkasse, auf jedem Tresen, in allen Büros. Ihre Machart ist stets gleich. Unten hat die Abtrennung eine Aussparung, durch die die Gegenstände des Handels ausgetauscht werden, z. B. drei Euro gegen zwei Kugeln Eis im Becher mit Sahne. Nur bei der Bezeichnung ist man sich noch nicht ganz einig. „Spuckschutz“ finde ich gänzlich unpassend, denn der Kunde ist doch kein Lama.

Den Älteren kommt das bekannt vor: Richtig, der klassische Schalter ist wieder da! In jeder Sparkassenfiliale, in der Post, am Fahrkartenverkauf, im Kassenhäuschen des Freibads oder Kinos, an jeder Schnittstelle zwischen Mitarbeiter und Kunden gab es den Schalter. Stets hatte er eine Sicherheitsfunktion. Sprachlich kommt Schalter von „Riegel“, er sollte also die dahinter verwahrten Wertgegenstände oder das Geld vor direktem Zugriff von außen schützen. Holzrahmen mit Glasfüllung wurden nach und nach durch großflächigere Glasscheiben ersetzt. Wo es um’s Geld ging, wurde in den 1960er Jahren Panzerglas eingebaut, etwa als Schutz vor Banküberfällen. Die 1990er Jahre führten dann zum Ende des Schalters: Mit dem „Open Service“ kam die offene Bedientheke, die auf Glasscheiben gänzlich verzichtete.

Funktionierende Herrschaft hat Anspruch auf Akzeptanz
Dank Corona stehen wir nun wieder täglich vor Glaswänden. Wiederum geht es um Sicherheit. Für mich hat der Corona-Schalter aber auch eine große symbolische Bedeutung. Solange der offene Austausch ein Gesundheitsrisiko darstellt, haben wir ein Davor und ein Dahinter. Wir akzeptieren die Glasscheibe, weil wir Herrschaft akzeptieren, die funktioniert. Als Historiker der „Bielefelder Schule“ studierten wir in den 1970er Jahren den deutschen Soziologen Max Weber wie die Theologen das Neue Testament. Seine Definition von Herrschaft scheint überzeitlich gültig zu sein: „Herrschaft soll heißen die Chance, für einen Befehl bestimmten Inhalts bei angebbaren Personen Gehorsam zu finden.“ Das funktioniert nur, wenn die Akzeptanz der Herrschenden durch die Beherrschten sichergestellt ist. Diese Legitimität wird bei uns durch demokratische Wahlen erreicht.
Deutschlands Erfolgsrezept beim Krisenmanagement gegen Corona besteht in gut funktionierender Herrschaft. Dafür sind Traditionen verantwortlich, die eine besondere nationale DNA ausgebildet zu haben scheinen. Auf der einen Seite Verwaltungen auf allen Ebenen, deren Zweckrationalität und Effizienz schon vor 300 Jahren beeindruckte. Durch die Geschichte der Stadtrechtsverleihungen bekamen wir das im vergangenen Jahr vorgeführt. Im internationalen Vergleich konnte es aber auch Österreich-Ungarn mit den preußischen Behörden aufnehmen. Anders wäre es wohl kaum möglich gewesen, eine solch komplexe multinationale und -ethnische Verbindung so lange zusammenzuhalten. Dass öffentliche Verwaltungen in der Krise nicht nur bei uns, sondern auch in Österreich zur Hochform auflaufen, ist also kein Zufall. Es ist aber auch keineswegs selbstverständlich, denn ihr Scheitern in immer mehr anderen Ländern wird uns Tag um Tag dramatischer vor Augen geführt.
Auf der anderen Seite steht der Staatsbürger, dessen Glaube an die Legitimität von Herrschaft umso gefestigter wird, je besser sie funktioniert. Dass in der aktuellen Krise wohl kaum ein höheres Maß an politischer Klugheit hätte walten können, wird niemand ernsthaft bezweifeln. Einem staatlichen System, das nicht funktioniert, gehorcht man nicht, es hat es auch nicht verdient. Das ist unser Bild etwa von Italien. Der Staat ordnet etwas an und der Bürger entgegnet: „Was geht mich das an?“ Gewiss mag man beim Deutschen als Staatsbürger an den preußischen Untertanen erinnert werden. Aber seine Folgsamkeit war auch Voraussetzung für Erfolg. Davon profitieren wir seit 75 Jahren in unserer Demokratie.
Die Glasscheibe als Symbol der Krisenzeit vergrößert nicht die Differenz zwischen oben und unten. Kritiker der Corona-Regeln verwechseln Herrschaft mit Macht. Die Beschränkung von Freiheitsrechten mit Machtmissbrauch gleichzusetzen, geht aber fehl. Vielleicht war es eine falsche Erziehung, in der jüngeren Vergangenheit zu wenig an staatsbürgerliche Pflichten zu erinnern. Wir sind sie schuldig einem System, dessen Krisenmanagement im internationalen Vergleich nach Israel (das sich im Modus einer Dauerkrise befindet) auf dem zweiten Platz steht. Unterschiedliche Ergebnisse sind dabei aus meiner Sicht völlig in Ordnung. Entscheidend ist: Hinter der Maske und vor der Scheibe sind wir nicht für uns allein verantwortlich. Das ist nicht mehr und nicht weniger als die Grundregel des Funktionierens einer jeden Gesellschaft.

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